Während des Staatsbesuches von Erich Honecker in der BRD im September 1987 kam es zu intensiven Gesprächen mit westdeutschen Firmenvertretern über mögliche Kooperationen mit Kombinaten der DDR und mittelständischen Unternehmen der BRD. Diese Gespräche wurden 1988 vertieft bei zahlreichen Besuchen westdeutscher Ministerpräsidenten bei Erich Honecker und Günther Mittag u. a. auch anlässlich der Leipziger Messen.
Vom 23. bis 25. Februar 1989 besuchte auch der damalige Ministerpräsident des Bundeslandes Baden-Württemberg, Dr. Lothar Späth, die DDR und führte intensive Gespräche mit Erich Honecker und Günther Mittag. Im Ergebnis dieser Gespräche wurden konkrete Absichtserklärungen zur Kooperation von Mittelständlern aus Baden-Württemberg und Kombinaten der DDR getroffen. Gemäß einer Anforderung des Ministeriums reichte das WKS drei Vorschläge zur möglichen Kooperation zwischen Kombinatsbetrieben und mittelständischen Unternehmen ein, darunter ein Vorschlag zur Zusammenarbeit des Stammbetriebes mit den Montanwerken Walter in Tübingen (MWT) auf dem Gebiet der Fräswerkzeuge.
Die Montanwerke Walter (heute Walter AG) wurden 1927 gegründet und stellten 1988 mit ca. 800 Beschäftigten in Tübingen HM-bestückte Fräswerkzeuge und CNC-Schleifmaschinen her. Das Unternehmen besitzt zahlreiche Zweigwerke in Europa, Asien und Amerika.
Bereits am 28.02.1989 fand in Berlin beim AHB-WMW-Export-Import ein erstes Gespräch zwischen der Leitung des AHB, Vertretern des WKS und der Geschäftsleitung von MWT statt, in dem beide Seiten ihr Interesse an einer weiteren Zusammenarbeit bekundeten und weitere Gespräche vereinbarten.
Am 5. April 1989 trafen sich erstmals die Vertreter des WKS mit den technischen Mitarbeitern der Fa. MWT in Tübingen zu intensiven technischen Gesprächen. Parallel dazu verhandelten der Generaldirektor des AHB und seine Mitarbeiter über den Entwurf eines Rahmenabkommens mit der Fa. MWT.
Der Gegenbesuch der Geschäftsleitung von MWT erfolgte vom 17. bis 19. Mai 1989 in Schmalkalden. Zur gleichen Zeit fand am 17. Mai im Ministerium für Außenhandel eine Beratung mit dem Bereich Kommerzielle Koordinierung (Koko) zu den bisher angedachten Industriekooperationen mit Unternehmen des Bundeslandes Baden-Württemberg statt, in deren Nachgang weitere Festlegungen des Ministers für Werkzeug- und Verarbeitungsmaschinenbau vom 26. Mai 1989 sowie eine Weisung des Ministers vom 16. Juni erlassen wurden.
Im Ergebnis der Beratungen in Schmalkalden wurde festgelegt, dass MWT ab 1989 Werkzeugaufnahmen und Drehklemmhalter nach ISO-Norm von WKS beziehen würde Im Gegenzug würde Walter den Aufbau eines flexiblen Fertigungssystems für Fräsergrundkörper im Stammbetrieb auf Basis des in Tübingen realisierten Systems unterstützen. WMW-Export-Import würde für jährlich 10 Mio. Valutamark Werkzeugsysteme von Walter beziehen.
Walter war bereit, dem Stammbetrieb gegen Zahlung einer einmaligen Pauschale eine Lizenz für Walter-NC-Tools-Werkzeuge zu vergeben und auf dieser Basis eine gemeinsame wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit hinsichtlich der konstruktiven Weiterentwicklung der Werkzeugschnittstelle aufzunehmen. Entwürfe der entsprechenden Vereinbarungen wurden beraten und ausgetauscht.
Das bisherige Ergebnis der Verhandlungen wurde am 14. Mai 1989 ausdrücklich durch den Minister bestätigt. In weiteren Beratungen, z. B. vom 11. bis 14.Juli und am 16. September anlässlich der 8. Europäischen Werkzeugmaschinen-Ausstellung (EMO) in Hannover, wurde Einigkeit zum Rahmenvertrag MWT-WKS-AHB mit folgenden Inhalten erzielt:
- Übernahme des Technologiepaketes Walter-Novex-NC-Tools durch das WKS,
- gemeinsame Vorbereitung eines flexiblen Fertigungssystems im Stammbetrieb auf Basis einer Vorstudie des Fraunhofer-Institutes für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) Stuttgart,
- langfristiger Liefervertrag über Basishalter und
- wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit der Partner.
Am 24. Oktober 1989 erfolgte im Haus der Wirtschaft in Stuttgart die Unterzeichnung des Rahmenvertrages durch die Partner im Beisein des Wirtschaftsministers des Bundeslandes Baden-Württemberg und des Ständigen Vertreters (Botschafters) der DDR.
Die notwendigen Festlegungen zur Finanzierung der Arbeiten wurden am 31. Oktober 1989 durch den Minister getroffen.
Am 6. und 7.November 1989 fand anlässlich des Besuches von Fachleuten von MWT und des IPA Stuttgart an der damaligen Ingenieurschule Schmalkalden eine Präsentation des flexiblen Fertigungssystems zur Produktion von Maschinenwerkzeugen vor 40 geladenen Gästen statt.
Die Unterzeichnung der einzelnen Verträge durch den Generaldirektor des WKS und den Vorstandsvorsitzenden von MWT fand am 17. Januar 1990 in Schmalkalden einschließlich eines gemeinsamen Pressegesprächs statt.
Neben dem bereits im Oktober 1989 abgeschlossenen Rahmenvertrag und Importvertrag wurden ein Lizenzvertrag (nichtausschließliche Lizenz von Walter an den Stammbetrieb über die NC-Tools-Schnittstelle und ein Projektierungs- und Know-How-Vertrag über die Erarbeitung einer kompletten Studie zur Fertigung von Werkzeugsystemen durch das IPA unterzeichnet. Am 28. Februar 1990 kam eine weitere Vereinbarung über die Gestaltung der Zusammenarbeit zwischen Stammbetrieb und MWT hinzu, die auch die Bildung einer gemeinsamen Vertriebsgesellschaft in Gera. umfasste.
Der Abschlussbericht des IPA Stuttgart zur Planung einer flexibel automatisierten Werkzeugfertigung im Stammbetrieb wurde am 30. März 1990 übergeben und von der Leitung des Stammbetriebes anerkannt. Infolge der geänderten Bedingungen auf der DDR-Seite wurden sowohl die Umsetzung der 1. Projektierungsphase auf Basis der Studie als auch die 2. Projektierungsphase ausgesetzt.
Nach der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 waren die Voraussetzungen für die Zusammenarbeit entfallen. MWT informierte im November 1990 in einer Presseerklärung über das Ende der Kooperation mit Schmalkalden. Das offizielle Ende wurde am 24. Januar 1991 anlässlich einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung der gemeinsamen Vertriebsgesellschaft besiegelt und alle Vertragsbeziehungen zwischen der Schmalkalder Werkzeug-GmbH (als Rechtsnachfolger des Stammbetriebs) und MWT aufgelöst.
Von den acht vorgesehenen gemeinsamen Projekten, die mit Ministerpräsident Dr. Späth vereinbart waren, wurde lediglich die Industriekooperation MWT – WKS-Stammbetrieb verwirklicht. Diese Ausnahmestellung war auch dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ einen ausführlichen Bericht wert (https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13496452.html).